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Kohlenfunde in Bottrop

In vielen Städten des Ruhrgebietes gibt es Stellen an denen man schon recht früh Kohle gefunden hatte. Allerdings, so sagt man, lebten an diesen Orten auch Berggeister. Im Prinzip war das eigentlich kein Problem. Holte man sich nur so viel Kohle wie man unbedingt brauchte und verhielt sich dabei den anderen Suchern gegen- über freundlich, so hatte man keine Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite konnte man schon mit einigen Miseren rechnen, sobald man sich aufführte wie die so gern zitierte Axt im Walde.

Nichts desto trotz, gab es auch erste Kohlenhauer, die sich mit Nachbarn oder Freunden als Bergleute verdingten. Zu diesen gehörten auch die Nachbarn Lajosz und Pjotr. Sie hatten von den Landbesitzern an der späteren Straße Alter Postweg im Umfeld von Bottrop ein Stück Land gepachtet und hofften damit an ein wenig Wohlstand zu gelangen. Sie schafften es zwar etwas Geld auf die Seite zu schaffen, aber von Wohlstand war nicht zu sprechen. Daher setzten sie sich zusammen als reichere Leute ihr Land haben wollten. Deren Plan bestand darin dort einen Schacht zur tief liegenden Kohle abzuteufen. Schnell wurden sie sich einig sich mit einem kleinen Handgeld ab- finden zu lassen. Anschließend ließen sie sich überreden für die neuen Herren zu arbeiten. Gut, jetzt verdiente man etwas mehr als zu vor, aber Reich, das war immer noch etwas gänzlich anderes.

Lajosz und Pjotr machen sich mit ihren neuen Arbeitskollegen an die Arbeit. Mit Hacke und Schaufel gruben sie sich Tag für Tag in die Tiefe. Trotz aller Helfer dauerte es seine Zeit bis man die Kohlenschicht erreichte. Dann wurden die behelfsmäßigen Abstützungen durch Wirkungsvollere und Stabilere ersetzt. Auch wurden schon einmal die Grundlagen für Förderanlagen gelegt. Diese waren vorerst nur einfach, jedoch immer noch besser als wenn man die Strecke über Leitern bewältigen musste.

Nach knapp einem Jahr war es dann soweit. Die Bergleute um Lajosz und Pjotr hatten es geschafft. Ihr Werk konnte als Bergwerk angesehen werden. Wie es dann so ist, irgendwelche Obere gaben den so genannten Startschuss, dann wurde die offizielle Kohleförderung aufgenommen. Ziemlich schnell wurde den Bergleuten aber vom Berg klar gemacht, dass er nicht gewillt war seine Reichtümer so mir nichts dir nichts preis zu geben. Da die Bergleute die Beleuch- tung mit Kerzen sicherstellten, lernten sie rasch, dass es Dinge gab, die sich nicht um ihre Anwesenheit scherten. Zu Hilfe gerufene Fachleute nannten diese Unglücke „Schlagende Wetter“. Gut, diese Explosionen hatten nun einen Namen aber eine Erklärung zur Vermeidung war das nicht.

Zu Beginn der Arbeit als Bergleuten hatten Lajosz und Pjotr noch Glück, wenn mal wieder diese „Schlagenden Wetter“ zu schlugen. Doch dann erwischte es sie auch. Sie waren in einem Nebenschacht und schlugen so gut es ging auf die Kohle ein als es im Hauptstollen eine Explosion gab. Der Luftdruck löschte die Kerzen der Bergleute. Lajosz und Pjotr fluchten in ihren Heimatsprachen "übersetzt: „Schlagende Wetter“" und zogen erst einmal zur Sicherheit die Köpfe ein. Als sich der Staub zu legen begann, hoben sie ihre Häupter. Danach machten sie sich vorsichtig an den Rückweg. Weit kamen sie nicht, da lagen schon erste Kohle- und Gesteinsbrocken im Weg. Gemeinsam machten die Freunde sich an die Arbeit um einen Ausweg zu finden. Lange brauchen sie aber nicht um zu erkennen das es mit dem „Nach-Hause-Kommen“ wohl so schnell, wenn überhaupt, nichts werden würde. Also machen sich Lajosz und Pjotr es sich so gemütlich wie es ging und schlugen abwechselnd gegen den Berg um auf sich aufmerksam zu machen. Es brachte aber nicht viel. Auf der anderen Seite der Barriere aus Gestein und Kohle war so einiges in den Stollen gestürzt. Auch waren Teilstücke des Hauptstollens komplett eingestürzt. Lajosz und Pjotr wussten dieses aber nicht, also stellten sie sich auf eine schnelle Rettung ein und klopften weiter.

Die "Schlagenden Wetter" hatten nicht nur ein Unglück verursacht bei dem einige Bergleute ihr Leben ließen oder in Nebenstollen gefangen waren. Auch ein Berggeist war durch das Unglück in seiner Ruhe gestört worden. Da Stein und Kohle für ihn als Herr der Unterwelt kein Hindernis darstellten, brauchte er nicht viel Zeit um sich einen Über- blick über die Sachlage zu machen. Von allen, die heute hier gearbeitet hatten, lebten nur noch Lajosz und Pjotr sowie Chrsztoph. Letzterer würde aber, wenn überhaupt, nie wieder mit seinen jetzt noch zerquetschten Beinen nach Kohle graben.

Der Berggeist machte sich bei Lajosz und Pjotr bemerkbar. Zuerst erschraken die Bergleute. Dann aber siegte die Neugier und sie ließen sich auf einen Kontakt ein. Der Geist erklärte den beiden das in der Nähe ein Kollege von ihnen Hilfe brauchen würde. Kaum wussten sie es, holten sie ihr Werkzeug, ließen sich die Richtung anzeigen und schlugen wie wild auf Kohle und Gestein ein. Erstaunlich schnell hatten sie ihren Kollegen erreicht. Vorsichtiger legten sie seine zertrümmerten Beine frei und betasteten die Katastrophe. Die Retter waren keine Ärzte aber sie richteten ihren Kollegen so gut her, wie es ihr Wissen zu ließ. Der Berggeist, der nicht verschwunden war, sondern die Aktion als Unsichtbarer verfolgt hatte, verstand das die Freunde keinen Hilfsbedürftigen aufgaben, wenn sie anderes vermochten. Allerdings hatten die Helfer von „Übertage“ es nicht so einfach mit dem Hilfebringen. So schnell diese auch machten, dem Kollegen von Lajosz und Pjotro würde es nichts nützen. Der Berggeist hingegen beschloss den Helfern in seiner Nähe ein Geschenk zu machen. Für Pjotr und Lajosz ungesehen schlug er gegen das Gestein. Dieses öffnete sich und gab eine Höhle frei. Danach bat der Berggeist Lajosz und Pjotr dem Glitzern zu folgen. Sie taten es und konnten sich wenig später in der Höhle aufrichten. Ungläubig sahen sie sich um. So etwas hatten sie auch an der Oberfläche nicht gesehen. Der Berggeist ließ sie eine Zeitlang die Reichtümer betrachten. Als es ihm genug erschien, teilte er den Bergmännern mit das sie so viel mitnehmen könnten wie sie wollten. Lajosz ließ sich nicht lange bitten. Er leerte seine Taschen und steckte sich so viel von Gold, Silber und edlen Steinen ein wie er in seine Kluft hineinbekam. Voll bepackt verließ er dann die Höhle. Im Moment schien Lajosz reich wie nie, aber all der Reichtum nützte ihm hier unten nichts.

Pjotr hingegen hatte es nicht so eilig. Aus Erzählungen seiner Eltern kannte er den Begriff „Berggeist“ und diesen verband er mit dem, was sich gerade hier abspielte. Er ging langsam an den Behältnissen mit den Kostbarkeiten ent- lang und betrachtete sie genau. Gleichzeitig dachte er darüber nach wie er sich möglichst ohne Schaden aus der Sache herausbringen konnte. Nach einem gemütlichen Rundgang glaubte Pjotr die Lösung zu haben. Er nahm aus einigen Truhen Münzen kleineren Wertes und einen Lederbeutel. Damit bewaffnet trat er zum Berggeist. Vor dem schwach sichtbaren Geist verschloss er eine Truhe und legte darauf seine Fundsachen. Anschließend erklärte er ihm was diese Bescheidenheit sollte. Pjotr teilte dem Berggeist mit das er hier und jetzt eh nicht viel mit dem ganzen Reichtum anfangen könnte. Würde er hingegen gerettet werden und dann an der Oberfläche eine Erklärung abgeben müssen wäre er so oder so unglaubwürdig. Also konnte er sich auch gleich mit wenig begnügen und sich später das ganze Drumherum ersparen. Zum Schluss fügte Lajosz an, dass es vielleicht eine Zugabe geben könne die darin bestehen solle, dass der Beutel ihm immer einen kleinen Betrag mehr liefern könne als er gerade ausgeben müsse. Etwas leiser fügte er an, dass er nur hoffe diese Zusatzbitte würde er nicht durch ungehörig hohe Ausgaben ausnutzen. Der Berggeist freute sich über den Bescheideneren der Bergleute und sorgte dafür das seine Bitte erfüllt werden würde. Zum Schluss seiner Mission schickte er Lajosz und Pjotr einen Tiefschlaf der ihre Wartezeit durch Schlaf verkürzte und verschloss die Höhle wieder. Für Menschen gab es ab sofort diesen Ort der Reichtümer nicht mehr.

Pjotr und Lajosz wurden durch ein leises Klopfen wach. Sie fuhren hoch und lauschten erneut. Sie stellten fest, dass es doch kein Irrtum war und beantworteten das Klopfen mit einer anderen Klopffolge. Es bedurfte noch eine gehörige Weile aber dann war es soweit. Pjotr und Lajosz sahen Licht und blinzelten ihren Rettern entgegen. Danach griffen sie zu ihrer Habe samt neuen Reichtümer und krabbelten in die Freiheit. Die Helfer sorgten dafür das Lajosz und Pjotr auf dem Weg mehr getragen wurden als das sie selbst gingen, aber sie waren in Sicherheit. Wieder im Tageslicht kam es so, wie von Pjotr geahnt. Die Reichtümer von Lajosz fielen auf und er musste dazu Rede und Antwort stehen. Pjotr hatte es da einfacher. Er verneinte jeglichen Nebenverdienst, gleich wie er aussehen sollte. Dass er einen Lederbeutel mehr besaß als vor seiner Arbeit, das machte keinen stutzig. Lajosz aber hatte vereinfacht gesagt jede Menge Ärger an der Kluft und konnte sich nur mit Mühe und einem Großteil seines neuen Besitzes vor einem Aufenthalt im Zuchthaus bewahren.

Pjotr ließ einige Tage verstreichen, dann kündigte er seinen Job und verließ den Ort. Ihn hielt auch so nichts. Auch seine Freundschaft mit Lajosz schien ihm nichts mehr wert. Er glaubte nicht daran das sein Nachbar die Unglücke verarbeitete und nicht doch noch versuchte sich an ihm schadlos zu halten. Damit er wirklich Ruhe hatte, zog Pjotr wieder in seine Heimat. Schnell fand er eine hübsche, aber einfache Frau. Mit ihr gründete er eine Familie und lebte mit ihr samt zwei Kindern in Ruhe und Zufriedenheit bis an seiner Tage Ende. Seine Familie hielt den Lederbeutel lange Zeit in Ehren. Doch dann holte ihn sich sein wirklicher Besitzer zurück, was den Erben von Pjotr aber nicht als Übel vergolten wurde.