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Die Burg Greifenstein

Einst, als die Herren auf Burg Greifen noch nicht zum Hochadel gehörten, lebte auch Dietwolf auf dieser Burg. Er war seines Zeichens Sohn des Bruders vom Burgherren Gundolf von Greifen. Eigentlich nichts weltbewegendes. Das Familienmitglieder auf Burgen von Verwandten lebten und dort ausgebildet wurden war auch nicht so neu.

Dietwolf lernte die höfische Etikette kennen. Auch galt es für ihn zu wissen wer mit wem und warum verwandt war. Man musste sich da teilweise schon sehr gut auskennen, da es nicht nur einmal schon zu einer Fehde um die Verwandtschaftsverhältnisse gekommen war. Dabei war es dann auch ratsam zu wissen wer da gegen wen im Feld war oder zu wem man halten sollte. Besonderes Augenmerk galt es auf diesen Punkt zu richten, an dem man erfuhr bei wem man bei einer Niederlage doch noch Schutz finden konnte.

Dazu war es Dietwolfs Aufgabe sich in den ritterlichen Tugenden zu bilden. Gnade gegenüber Armen, Hilfsbedürftigen und denen, die um Gnade baten. Dazu Umgang mit Pferden und Waffen. Mit den meisten Dingen gab es für Dietwolf keine Probleme. Nur bei Aufgaben, die im Schutz einer Rüstung zu erledigen waren. Da hakte es gründlich. Dietwolf versuchte nicht selten sich davor zu drücken. Sein Lehrmeister ließ lächelnd den Ansatz der Flucht zu und holte seinen Schützling dann aber doch wieder auf den Boden der Arbeit zurück.

Klar das Dietwolf des öfteren fluchte das selbst dem Bierbrauer der Burg die Ohren klingelten, aber er musste durch die Schule des Rittertums durch. Es gab aber auch Gutes zu berichten. Zum Abschluss seiner Ausbildung durfte er an der Schwertleite teilnehmen und erhielt den Ritterschlag nebst Ausrüstung. Dazu gehörten Pferd, Schwert und Rüstung samt Schild. Dietwolf galt ab diesem Punkt als Graf von Greifen und trat zunächst bei seinem Onkel in Dienste. Der ließ sich bei der Aufnahme nicht lumpen und rief zu einem Turnier für alle Jungritter der Umgebung und der befreundeten Adligen auf. Klar. Alle wollten zeigen was sie konnten. Nicht alle, besser gesagt die Wenigsten, schafften es die jetzt geltenden Vorgaben gleichzeitig mit den eigenen Vorgaben sowie mit den eigenen Angaben ihres Könnens zu demonstrieren. Zu den wenigen, die es schafften, war auch Dietwolf. Zusätzlich zum Siegerpreis gelang es ihm die Gunst der Tochter des Grafen von Katzenelnbogen zu erlangen. Im Prinzip nichts tragisches. Hier und jetzt aber mit etlichen Hindernissen verbunden.

Zwischen den Grafen von Greifen und denen von Katzenelnbogen herrschte, auf späterem guten Deutsch gesagt, dicke Luft. Einige Bauern hatten, so die schwelende Klage, auf dem Gebiet der anderen Grafschaft gewildert. Das Urteil hätte deutlich sein müssen. Jedoch trat damit ein älterer, beinahe schon vergessener Zwist wieder ins Blickfeld. Dereinst hatte der damalige Graf von Greifen den Herren von Katzenelnbogen genau dieses Waldstück in einem Überfall entrissen und, obwohl er dazu verpflichtet worden war, nicht wieder zurück übereignet. Sicher gab es ab und zu Aktionen um das Gebiet wieder in den Besitz der Herren von Katzenelnbogen zu bringen, aber die Grafen von Greifen zeigten sich als zu Erfolgreich. Also schwelte der Hader weiter vor sich hin. Bis heute, als Dietwolf seinen Onkel zum Thema Agnetha von Katzenelnbogen befragte, der Tochter vom Herrn von Katzenelnbogen, Heinrich IV.

Dietwolf erfuhr von seinem Oheim das man zwar gleichen Standes war, jedoch der alte Zwist und Hader stünde noch immer in Wald und Flur. Man dachte auch noch nicht an Auf- oder Nachgabe bis das Haus Katzenelnbogen nicht das Land als denen von Greifen zugehörig beurkundete und damit BASTA. Dietwolf hatte sich zu fügen oder eigene Wege zu suchen und diese gehen. Dietwolf zog sich mehr als Wütend in einen Turmerker zurück und grübelte dort nach einer Lösung. Immerhin wollte er, falls möglich, Agnetha ehelichen. Das sollte aber mit Zustimmung der Familie im Guten und nicht im Üblen geschehen. Er fragte sich nur wie das von statten gehen sollte.

Einige Tage später, die Dietwolf mit Grübeln und wenig Essen verbracht hatte, schien sich am Horizont des Verlangens ein Lichtschweif zu zeigen. Ein Adler zog seine Kreise auf Suche nach Beute. Dietwolf gelang es bei aller Grübelei den Adler anzulocken und so eine Art Waffenstillstand mit dem Tier zu erreichen. Der Greif schien sogar so etwas wie ein Freund werden zu wollen. Dietwolf stand nun vor dem Problem der Verständigung. Er sprach nicht die Sprache der Adler. Umgekehrt war es im Moment auch nicht besser. Damit gab es nun zwei Probleme mehr. Der Adler und Agnetha. Beides versprach viel Arbeit.

Dietwolf sah mehr und mehr ein, dass die Lösung nicht auf Erden zu finden oder zu erlangen war und wandte sich mit inbrünstigen Gebeten an den Himmel. Anfangs standen da wohl recht viele auf der, so genannten, langen Leitung. Doch dann hatte Dietwolf nach langen Gebeten wohl ein offenes Ohr in himmlischen Gefilden gefunden. Es zeigte sich eines Abends dem Betenden ein Licht aus dem sich Dietwolf ein Engel offenbarte. Dieser teilte dem Liebenden mit, das es eine Lösung gab. Einfach und leicht sei es nicht. Wenn er aber wollte und seine Holde auch, dann wolle der Himmel nicht länger im Wege stehen.

Dietwolf nickte und sagte zu. Seinen Teil wollte er gern in diesem Handel erfüllen. Für Agnetha wollte er nicht sprechen. Er würde sie, so seine Meinung, nie zu etwas zwingen, dem sie nicht aus eigenem und freiem Willen zustimme. Den Vorschlag müsse der Engel, oder der Himmel, schon selbst überbringen oder jemanden anderen damit beauftragen.

Gesagt, getan. Der Engel streckte den rechten Arm aus. Sekunden später landete der, dem Dietwolf schon vertraute, Adler darauf und sah den Himmlischen fragend an. Der Engel weihte den Adler auf seine Art und Weise ein und gab ihm auch die Gabe der menschlichen Sprache. Dann entließ er ihn. Dietwolf sprach noch einige Zeit mit dem Engel um mehr über diese vermaledeite Fehde und diesen ganzen Schlamassel zu erfahren. Zwar erfuhr Dietwolf nun die komplette Wahrheit, aber weiter kam er damit im Moment auch nicht wirklich. Bei Einsetzen der Dämmerung verabschiedete sich der Engel und Dietwolf blieb allein zurück um der Dinge zu harren, die auf ihn zukommen mussten.

Je länger es dauerte, desto mehr fragte sich Dietwolf ob seine Wahl die richtige gewesen war. Der Himmel jedoch stellte ihn auf eine harte Probe, da das Kommende schon etwas mehr als nur guten Willen erforderte. Doch vergessen war er nicht. Zu Beginn des Herbstes kehrte sein Bekannter, der Adler, in Begleitung zurück und beide landeten ohne Umschweife auf der Brüstung vor Dietwolf. Bevor dieser nun fragen konnte, meldete sich Agnetha und auch der Engel erschien wieder. Gemeinsam teilten sie Dietwolf mit, was bis jetzt geschehen war, um mit dem zu Enden was zu erfolgen sollte. Ohne viele Worte stimmte Dietwolf zu und kurz darauf gab es den Segen für das neue Glück. Der Engel hob die Hände zum Segen über die Köpfe von Dietwolf und Agnetha. Der Greif in ihrer Nähe sprach die Aufnahme der ehemaligen Menschen in den Adlerclan. Der Engel gab die himmlische Zustimmung. Aus den Menschen wurden nun zwei stattliche Greife. Zum Abschluss der Zeremonie flogen Adler und Engel noch eine Art Ehrenrunde über Burg Greifen, bevor sich die Wege von Himmel und Erde wieder trennten. Die Adler hingegen schwangen sich auf den alten Burgturm. Hier gründeten sie eine neue Familie, wobei der alte Adler einige Tage lang der Ausbilder von Dietwolf und Agnetha war. Sie sollten ja überleben und nicht so schnell wie möglich am Hunger sterben. Dann verließ auch er die Burg.

Die Burgbesatzung, der die neuen Burgbewohner nicht wirklich entgangen waren, versuchten das Adlerpaar zu vertreiben. Vergebens. Nichts half. Auch mit Pfeilen und Armbrustbolzen war nichts zu wollen. Also gab man nach einigen Tagen auf und ließ den jetzigen Tieren ihren Willen. Kurz darauf gab es ein Nest mit Gelege. Agnetha legte dazu, wie es bei Adlern so üblich ist, drei Eier und brütete sie aus. Gemeinsam mit dem ehemaligen Dietwolf zog sie ihren Nachwuchs auf. So lebten sie, Agnetha und Dietwolf, ihre Tage als Adler bis auch ihr Weg allen Irdischen gehen musste.

Im Laufe der Zeit wechselten zwar die Adler, aber der Turm von Burg Greifen blieb ihr Heim. Da die Menschheit jedoch zu allen Zeiten manch Habgierigen unter sich hatte, standen öfter Truppen vor der Burg um sich gewaltsam Einlass zu verschaffen. Egal welche Überraschung Angreifer auch planten, die Adler stiegen auf und zeigten den Verteidigern die Truppen und Pläne der Belagerer an. So setzte sich nach und nach für die Burg Greifen der Name Greifenstein nach dem Adlerhorst auf dem Turm durch. Alles konnten die Adler aber auch nicht vermelden und die Burg Greifenstein wurde dennoch eines lieben Tages erstürmt und teilweise geschleift. Der ehemals so genannte Adlerturm soll aber heute noch in ganzer, ehemaliger Pracht oder Größe stehen. Hin und wieder, so sagt man, soll ein Adlerpaar Den Turm aufsuchen um nachzusehen ob die Burg wieder von Nachkommen des einstigen Burgherren zurück gekehrt wären. So, wie es scheint, haben sich beide Seiten in den letzten Jahrhunderten wohl immer irgendwie verpasst oder das Haus der Ritter von Greifenstein ist mittlerweile ausgestorben.