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Die Müllerhochzeit in Coesfeld

Vor langer Zeit als Grafen, Fürsten, Bischöfe, Äbte, Kaiser und Könige und all die so genannten Edlen oder Adligen sich um Land und Leute stritten, gelang es den Grafen von Katzenelnbogen gleich anderen so manches Stück gutes Land zu erringen. Die neueste Eroberung von Ihnen befand sich im Raum des späteren Ortes Coesfeld. In etwa dort, wo sich heute die Fürstenkuhle nahe des Hörnemannweg befindet. Im Prinzip zur damaligen Zeit nichts Besonderes. Allerdings brachten sie auch einen nahen Verwandten als Abt im nahen Kloster unter. Somit sah die ganze Sache schon anders aus. Schließlich vermochte ein Kirchenangehöriger in der Position so manche Sünde vergeben die sich die Verwandten auf den Buckel gepackt hatten.

Besagte Grafen von Katzenelnbogen richteten sich auf einem Hügel zwischen zwei Weihern auf ihrem Besitz häuslich ein. Als erstes wurde von ihnen eine einer Burg ähnliche Anlage aus Holz errichtet. Dazu verpflich- tete man per willkürlichem Erlass die Bevölkerung in der Nähe. Das war auch schon damals eine übliche Art an Arbeitskräfte zu kommen. Der Wohnbereich der Grafen wurde dann auch mit Bäumen der Umgebung aufgebaut. Nach knapp einem halben Jahr war der Bau der Behelfsburg fertig und die Grafen standen vor der finanziellen Entscheidung. Sie konnten ihren Besitz verpfänden oder ihre Einnahmen erst einmal zusammenhalten. Sie wählten den schwereren Weg, da sie nicht einsahen, alles gleich schon wieder zu verlieren. Die Grafen hielten sich mit den Ausgaben zurück. Mit Zuwendungen aus dem Kloster gelang es ihr Anwesen vergrößern und durch geschickte Anordnungen zum Anbau von Getreide, Gemüse und Nutzbäumen ließen sich auch die finanziellen Einnamen erhöhen.

Wie es aber mit den Oberen so ist, irgendwann werden sie übermütig. Da war auch der kirchliche Schutz sehr hilfreich. Aber nicht jeder kann lesen und wenn doch, dann können schon mal Fehler auftreten. Sei es nun als Schreibfehler oder durch Übersetzungen bei mangelhaften Sprachkenntnissen. Mal so als Beispiel: Deutsch nach Latein und oder wieder zurück. So auch hier. Im Original sollte es heißen das der Erste Kuss einer frisch Verheirateten, nachdem sie den Ehemann geküsst hatte, an den jeweiligen Landesherrn ging, wenn der es wollte und anwesend war. Das mag zwar nicht immer angenehm für die Braut gewesen sein, aber Tribut war halt Tribut.

Die Landesherren aber, mangels Sprachkenntnis, hatten an dieser Vorschrift, besser diesem Erlass wenig Spaß. Also nutzten sie ihre Macht und ließen diese Anordnung eines Kirchenfürsten absichtlich falsch aufs Neue übersetzen. Ab nun hieß es, das die Braut nicht mehr den ersten Kuss, sondern die erste Nacht an den Landes- herrn geben musste. Das war zwar etwas für die Herrschenden, aber nicht mehr für das Volk. Der Adel, wie hier die Grafen von Katzenelnbogen, nutzten den Erlass um sich in erlaubter Weise eine Auszeit von der eigenen Ehefrau zu gönnen. Das passte denen zwar nicht in den Kram, aber auch sie mussten sich an die neuen Spielregeln halten.

Manches hält sich ohne Widersprüche, manches ruft Widerstand hervor. So auch diese Anordnung der Obrigkeit. Der Müller des Klosters war dort nur angestellt und brauchte keine Rücksicht auf das Zölibat beziehungsweise die aufkommende Ehelosigkeit der kirchlichen und klösterlichen Mitarbeiter zu halten. Das ermöglichte es ihm sich eine Gattin zu suchen. Gut, er hatte nicht viel Auswahl. Aber er hatte schon die eine oder andere Schön- heit in der engeren Wahl. In seiner Freizeit erkundete er seine Chancen bei den Holden und fand auch eine Holde die mit ihm in der Mühle leben und arbeiten wollte.

Gesagt, getan. Der Müller wurde beim Vater seiner Erwählten vorstellig. Nach einigen Gesprächen waren sich die Herren einig. Der Müller, nennen wir ihm mal Hein, und seine Versprochene, geben wir ihr auch einen Namen, Trine, wandten sich an Kirche und Stadtbeamten. Erstaunlich schnell stand der Termin und die Verliebten machten sich an die Arbeit. Immerhin galt es eine ansehnliche Verwandtschaft samt wichtigen Gästen am Ehrentag zu verköstigen. Zu ihrem Erstaunen teilte ein Herold mit das der Graf von Katzenelnbogen am besagten Tag in seinem Hause sein würde. Trine schluckte und hoffte der Graf hätte von einigen Erlassen nichts gehört oder würde sie reichlich großzügig auslegen. Zunächst war das aber nicht so wichtig. Die Arbeit beider zukünftiger Eheleute machte sich nicht von alleine und die Heinzelmännchen hatten auch noch nicht das Münsterland erreicht.

Der Tag der Tage war da. Müller und Dienstmagd hatten sich herausgeputzt und wurden von Familie, Freunden, Bekannten und Nachbarn zur Kirche geleitet. Der Pfarrer traute das Paar und hielt in der Messe eine Rede an die Frischgetrauten in der auch die Pflichten beider gegenüber dem Partner hatten. Anschließend wurde das Paar zum Rathaus geleitet wo die Ehe Beurkundet wurde. Hier trat der Graf auf den Plan. Er setzte sein Siegel mit auf die Urkunde. Das Paar freute sich über die Ehre der gräflichen Beglaubigung. Im Anschluss ging es dann für alle zur Mühle. Hier war alles aufgebaut, was man für die Gäste geplant hatte. Selbst Abt und Graf nahmen am Mahl teil und alle ließen es sich gut gehen. Es wurde getrunken, getanzt und gescherzt. Zu vorgerückter Stunde aber bahnte sich Ungemach an. Der Graf ließ durchblicken das er auf seinem angeblichen Recht der ersten Nacht bestehen würde. Hein und Trine waren verständlicher Weise davon am allerwenigsten begeistert. Sie wandten sich an den Abt. Der hingegen konnte oder wollte sein Veto nicht einlegen. Also lag es an den Eheleuten sich da alleine aus der Affäre zu ziehen.

Trine und Hein beratschlagten sich kurz. Dann stand es für sie fest. Trine würde so oder so nicht an dieser Schandtat vorbeikommen. Es blieb nur die Frage ob und wie der Graf sein angebliches Recht ausnutzen würde. Als der Graf sich zur Braut gesellte um ihr mitzuteilen, dass man in Kürze zur Burg reiten würde, trat diese zu ihrem Gatten, und ließ sich von diesem ein Messer zustecken. Danach begab sie sich zum Grafen und damit ins Unvermeidliche.

Graf und Trine verließen das Fest und ritten in Begleitung der gräflichen Eskorte zur Burg. Trine wurde es auf dem Ritt immer mulmiger. Ihr war klar, dass sie eine Entscheidung treffen musste. Entweder sie ließ sich mit dem Grafen ein und trug die Folgen, oder sie setzte einem Leben ein Ende. Es war ohnehin egal. Sie war die Dumme und musste mit den Konsequenzen leben oder nicht.

In der gräflichen Behausung angekommen wurde es Trine erlaubt sich zu Waschen und mit Nachtbekleidung zu kleiden. Anschließend führte man sie in die Kemenate in der sie die Nacht mit dem Grafen verbringen sollte. Trine setzte sich aus Nachtlager und versteckte das Messer in Reichweite. So erwartete sie den Herren der Umgebung. Lange brauchte es nicht, da erschien der ungewollte Galan um sich sein genommenes Recht anzueignen. Trine hingegen sah das anders. Sie teilte dem Burgherrn mit, dass sie nicht gewillt sei die Nacht mit ihm nach seinem Willen zu verbringen. Falls er doch darauf bestehe, so würde sie schon einen Weg finden der ihr die Ehre erhielt.

Der Graf sah nicht ein auf die Gelegenheit zu verzichten und näherte sich Trine auf dem Lager. Trine lehnte sich etwas zurück, brachte eine Hand unter die Decke und wartete etwas. Sie wollte ihrem Gegenüber die Chance geben es sich doch noch anders zu überlegen. Das tat er nicht und baute sich grinsend vor Trine auf und forderte diese auf, sich für ihn bereit zu machen.

Trine, die die Lage klar sah, nickte. Dann holte sie ihre Hand mit dem Messer hervor. Bevor der Graf sich versah stieß sich Trine die Klinge in den Oberkörper. Anschließend verwünschte sie ihn und versprach ihm an jedem Todestag einen seiner Nachfahren oder anderer Personen der Familie ins Grab zu holen, die im Raume Coesfeld zu dem Zeitpunkt lebten. Danach drehte Trine die Klinge und zog das Messer aus der Wunde. Es brauchte nur Sekunden und ihr Werk war vollendet. Ihr lebloser Körper sackte aufs Lager und ihr letzter Atemzug entwich langsam der Toten.

Der Graf hingegen fluchte und rief nach seinen Bediensteten. Diese durften sich mit der Leiche befassen. Mit vereinten Kräften trugen die Diener Trine aus dem Raum. Mägde trugen die Kleidung hinterher. In der Küche wechselten sie Trines Bekleidung. Anschließend hoben sie die Toten auf einen Wagen und fuhren sie zum schon schlafenden Müller. Sie mussten ihn mit ordentlichem Radau aus dem Bett holen. Dann erklärten sie dem Schlaftrunkenen was vorgefallen sei. Er schrie auf und machte sich Vorwürfe. Es half zwar nicht, aber es erleichterte das Begreifen. Darüber verließen ihn die gräflichen Bediensteten und der unfreiwillige Witwer blieb allein zurück. Hein brauchte einige Zeit um alles zu verstehen und zu verarbeiten. Als er das Erlebte verdaut hatte, trommelte Hein seine besten Freunde und Familienangehörige zusammen. Gemeinsam beratschlagten sie ob man die gräfliche Untat hinnehmen, oder Gerechtigkeit verlangen sollte. Man einigte sich auf Gerechtigkeit. Immerhin hatte nicht nur Hein diese Rechtsaneignung zu ertragen. Auch andere Einwohner von Coesfeld und Umgebung litten an der Schande.

Wie beschlossen versuchten die Verschworenen es erst einmal auf dem Rechtsweg. Schnell war ihnen aber klar gemacht worden das es für sie keine Gerechtigkeit geben würde. So mussten sie sich selbst an die Verurteilung machen. Schnell waren einige Stellen zwischen gräflicher Behausung und Ort gefunden, die sich für einen Überfall eigneten. In kleinen Gruppen beobachteten sie die Orte. Nach wenigen Tagen war alles günstig. Der Graf ritt mit nur einem Begleiter aus der Burg und nahm den Weg kürzesten Weg durch die Fürstenkuhle. Rasch waren weitere Verschwörer informiert und zur Stelle. Mit vereinten Kräften gelang der Plan. Graf und Begleiter wurden von den Pferden gestoßen, nach allen Künsten der Wut mit Knütteln erprügelt und ohne Rücksicht auf ein Ergebnis in einen der hier vorhandenen Weiher geworfen. Dass die Pferde nicht auf ihre Herren warteten, war klar. Sie trabten gemächlich mit leerem Sattel zum Stall in Coesfeld. Vor hier machte sich ein Suchtrupp auf den Weg um zu ergründen was der Grund für das Eintreffen der Tiere ohne Reiter war. Am Abend hatten sie gefunden, was sie gesucht hatten. Mit einiger Mühe holten die Suchenden den toten Graf samt verstorbenem Begleiter, aus dem Wasser. In der Kutsche, in der Trine ihren letzten Weg genommen hatte, trat nun auch der Graf den Seinigen an.

Die nun fragenden Richter standen einer schweigenden Wand von Coesfeldern gegenüber. Kein Gefragter meldete sich zur Aussage. Also verständigte man sich auf höhere Gewalt und suchte im Verborgenen nach eventuellen Tätern.Trine hingegen hatte ihre erste Vergeltung. Wie es aber ihr Fluch verlangte, kehrte sie alle zwanzig Jahre nach Coesfeld in die Fürstenkuhle zurück und holte eine Person aus der gräflichen Familie. Es brauchte zwar viele, viele Jahre, aber dann erschien Trine vergebens. Es gab keine Grafen von Katzenelnbogen mehr im Umfeld von Coesfeld. Auch ließen sich keine Familienangehörigen im Raum Coesfeld sehen oder nahmen aufs Neue hier den alten Besitz als Bleibe. Seit diesem Tag kann man, solange Trine es für angebracht hält, sie als durchsichtige Gestalt an ihrem Todestag in der Fürstenkuhle sehen. Angst braucht ein Coesfelder nicht zu haben. Trine führt ihn, falls sein Weg ins Unglück führt, auf sichere Wege. Sollte aber eine Person aus der Blutlinie der Grafen auftauchen, so stünde es bei ihm wohl so, dass er dem Fluch verfallen würde und nicht mehr oder nicht mehr lange lebend zu sehen sein könnte.