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Der Geist vom Kloster Loccum

Geister im Haus, das ist und war schon immer so eine Sache. Aber das dann auch noch in einem Kloster ein solcher umgeht! Das musste schon einen besonderen Grund haben. Hören wir dazu einmal diejenigen, die es eigentlich genauer wissen sollten.

Hinter vorgehaltener Hand tuscheln schon seit langer Zeit die Novizen im ehemaligen Zisterzienserkloster Loccum darüber. Hin und wieder will man in den alten Mauern einen Geist gesehen haben. Man kann sich die Sache aber nicht so recht erklären. Also versuchen wir einmal Näheres beim Abt zu erfahren. Natürlich will er auch nicht sofort und erklärend mit der Sprache heraus. Immerhin, so die Tuschelei, soll der Geist nicht nur ihn aufgesucht und einen ordentlichen Schrecken verpasst haben. Nach einigen Tassen Tee und gutem Zureden macht der Abt dann aber doch noch den Mund auf.

Leise teilt er mit, dass man sich gemeinsam erst einmal eine alte Chronik ansehen müsse. Er holt sie nach einigem Zögern aus einem verschlossenen Schrank. Langsam blättert er sich zu der Stelle in den Texten, die vom Gesuchten berichten. Mit leicht zitternden Fingern zeigt er auf den Beginn des alten Berichtes.

In der Chronik ist zu lesen: Einst, am 8. Februar 1528, habe der Bauer Hans Meyer zusammen mit seinem Sohn Cort, in einer für sie wichtigen Sache, das Kloster aufgesucht. Gemeinsam musste man eine lange Zeit warten, bis der Abt zur Audienz bat. Man war ja schließlich nicht auf Termin erschienen und im Kloster galten auch damals schon bestimmte Regeln, die eingehalten werden mussten, ob man wollte, oder nicht. Zu vorgerückter Stunde bat dann doch noch ein Novize die wartenden zum Abt.

Hans und Sohn ließen sich durch die Klostergänge und Gebäude zum Abtshaus geleiten. Hier bot der Abt ihnen einen, zum allgemeinen Erstaunen, heißen Kräutertee an. Die Bauern lehnten nicht ab und genossen die ersten Schlucke schweigend. Dann begann Bauer Hans mit dem Vortragen seiner Bitte.

In Münchehagen sei vor einigen Tagen ein Nachbarbauer verstorben. Dessen Witwe und die, nun vaterlosen, Kinder vermochten den großen Hof nicht mehr allein zu bewirtschaften. So habe man sich im Ort darauf verständigt, wenn das Kloster Loccum keine Einwände habe, dass die Familie Meyer einen größeren Teil des Hofes von den Erben übernehme und bewirtschafte. Das wolle man nun hier erläutern und vom Kloster beurkunden lassen. Falls notwendig oder gefordert würde man die Übertragungsgebühren so rasch wie möglich übergeben.

Der Plan war gut und wäre wohl auch schnell zu erledigen gewesen. Leider hatte der Abt in seiner weltlich überheblichen Art aber so seine eigene Meinung zum Fall. Er lehnte das Ersuchen brüsk ab. Das Bauer Hans versuchte den Abt mit Schmeicheleien und Lobhudeleien gnädig zu stimmen, machte es damit aber auch nicht besser. Der Abt von Loccum blieb stur und steif bei seiner Ablehnung. Nun griff Cort ein. Er drohte dem Abt mit harten Worten.

Damit, so die alte Schrift, eskalierte die Situation. Rasch war man dann an einem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. So griff Bauer Hans zur Axt, die er an der Seite trug, und schlug damit zu. Er spaltete dem Abt Stöter den Schädel. Der Klostervorsteher konnte noch einen heiseren Schrei ausstoßen, dann verstarb er. Mönche und Novizen eilten herbei. Gemeinsam gelang es ihnen Vater und Sohn zu überwältigen. Sie fesselten die nun ungebetenen Gäste und zwangen sie in einen Raum, dessen Tür sich abschließen ließ. Hier durften Bauer Hans und Sohn Cort vorerst darüber nachdenken was sie angerichtet hatten. Derweil schickten die Zisterzienser nach dem Landesherren und baten dort um Entsendung eines Richters.

Die Untat war zwar auf Klostergrund verübt worden und man hätte selbst ein Urteil fällen können. Aber die Urteilsvollstreckung ließ sich mit der Klosterregel und der Bibel nicht so ganz vereinbaren. Somit musste halt ein weltliches Gericht das Urteil sprechen und die Verurteilung, nebst Vollstreckung, durchführen. Die Inhaftierten hatten einige Tage zu warten und wurden von den Mönchen nur mit dem Notwendigsten versorgt. Unterdessen erschien der Richter samt Kerkermeister im Kloster. Hier ließ er sich die Anklage von den Mönchen darlegen und schritt anschließend zum Beschuldigten um von dort die Verteidigung zu hören.

Bauer Hans machte es ihm einfach. Er teilte kurz mit wie die Anklage aus seiner Sicht zu werten sei und gab zum Schluss zu das er der Übeltäter war, welcher den Abt vom Leben zum Tod gebracht hatte. Damit war für den Richter die Sache klar. Die Arbeit des Kerkermeisters war daher überflüssig. Der Richter fällte das Urteil. Bauer Hans Meyer blieb bei ihm. Cort Meyer, der Sohn, konnte auf den elterlichen Hof zurück, musste aber die Gerichtskosten übernehmen. Er hatte also mehr Glück als ihm zustand gehabt. Seinen Vater Hans hingegen traf das Gesetz in vollem Umfang. Im Ort Loccum wurde er zur späteren Straße Am Moorgarten geführt. Hier wurde das Urteil vollstreckt und gemäß der richterlichen Verfügung der Leichnam von Bauer Meyer dem Moor übergeben. Hier sollte er so lange büßen bis Gott ihm die ewige Ruhe gab.

Das Moor nahm zwar den Toten auf. Ruhe hatte er damit aber keine gefunden. Seine Seele gelangte, für Menschen unsichtbar ins Kloster, zum Grab das für den Abt Stöter hergerichtet war. Nachdem der Abt hier seine letzte Ruhe gefunden hatte, war es an der bäuerlichen Seele einen Weg zur eigenen Ruhe zu finden. Wie aber sollte das geschehen?

Überliefert wurde keine Lösung. Also galt es für die ruhelose Seele zu von Gott vorgegebenen Zeiten um Gnade zu bitten und darauf zu hoffen das ein Mönch im Laufe der Zeiten das richtige tat oder fragte. Da aber, warum auch immer, weder Abt noch Mönche das Richtige taten, muss der unglückliche Bauer Hans Meyer auch weiterhin am Todestag von Abt Stöter, dem achten Februar, den aktuellen Abt aufsuchen um ihm zu erscheinen. Das der jeweilige Abt dabei einen gehörigen Schrecken abbekommt bleibt nicht aus. Aber bis heute soll die Seele des Bauern als Schemen vom Grab des Abtes Stöter durch die Klostergänge zum Abtshaus schweben. Mancher hat das Geschehen schon sehen dürfen, aber noch keiner fand eine Lösung, um es zu beenden.

Was aber der Bauer mit dem aktuellen Abt zu reden hat, oder auch nicht, das soll noch nie die Mauern des Abtshauses verlassen haben. So bleibt nur darauf zu hoffen das doch eines guten Tages ein Klosterbewohner das tut, was zur Erlösung des Bauern Hans gereicht. Vielleicht ist es ja auch nur so, das ein Gebet welches ein Mönch des Kloster Loccums für die Seele von Bauer Hans sprechen sollte ihn erlöst und sie endlich von der Strafe befreit wird. Genaues weiß man aber außerhalb der Klostermauern noch immer nicht. Nur das die Seele des Bauern Hans noch immer keine ewige Ruhe gefunden hat, lässt sich den Mönchen im Kloster Loccum mühsam entlocken.