Eine Geistergeschichte aus Sturmfels
Es war eine kalte, stürmische Nacht im kleinen Dorf Sturmfels. Die Bewohner hatten sich längst in ihre warmen Häuser zurückgezogen, als eine einsame Gestalt durch die dunklen Gassen wanderte. Es war die junge Lucy, ein neugieriges Mädchen von zwölf Jahren, das sich von den Geschichten über das alte verlassene Herrenhaus angezogen fühlte. Das Herrenhaus stand am Rand des Dorfes und war seit Jahren unbewohnt. Die Fenster waren zerbrochen, das Dach war teilweise eingestürzt, und das Unkraut schickte sich an das Gemäuer zurück zu erobern. Die Dorfbewohner mieden das Anwesen, denn es wurde erzählt, dass es dort spuken würde. Doch Lucy, voller Abenteuerlust, konnte der Versuchung nicht widerstehen.
Als sie das Herrenhaus erreichte, hörte sie die alten Holztüren geisterhaft knarren, als würden sie warnen wollen. Lucy zögerte einen Moment, aber dann trat sie entschlossen ein. Die Luft war stickig und roch nach Moder. Die Taschenlampe, die sie mitgebracht hatte, erzeugte schummriges Licht, das die schattenhaften Konturen der verlassenen Möbel enthüllte.
Lucy schritt vorsichtig durch die düsteren Flure um nicht unvermittelt auf eine morsche Diele zu treten, als plötzlich ein eisiger Windhauch durch das Haus fuhr. Die Kerzen, die sie in den alten Leuchtern entzündet hatte, flackerten bedrohlich. Ein leises Wispern schien durch die Wände zu dringen, und Lucy glaubte schwache Schritte vernehmen, die ihr folgten. Ihr Herz pochte wild vor Aufregung und Angst. Trotzdem setzte sie ihren Weg fort und gelangte schließlich in das verfallene Wohnzimmer. Dort stand ein alter Flügel, bedeckt mit einem staubigen Tuch. Lucy wagte sich näher und hörte plötzlich ein leises Klavierspiel, als ob unsichtbare Finger über die Tasten glitten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Plötzlich erschien vor Lucy eine schemenhafte Gestalt. Es war eine Frau in einem langen, zerfetzten Kleid. Ihr Gesicht war blass, die Augen glänzten traurig. Die Frau schien Lucy anzublicken, als ob sie etwas sagen wollte, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Lucy erstarrte vor Schreck. Die Gestalt schien durchsichtig zu sein, und dennoch fühlte Lucy eine Art unheimlicher Präsenz. Die Kälte im Raum intensivierte sich, und die Kerzen erloschen nacheinander. Das Klavierspiel verstummte, und die Stille wurde von einem leisen Weinen durchbrochen.
In aufkommender Panik rannte Lucy aus dem Herrenhaus, als ob der Teufel hinter ihr her wäre. Der Wind heulte um die Ecken, und die Bäume rauschten gespenstisch. Lucy erreichte endlich das Dorf, keuchend und bleich. Am nächsten Tag erzählte sie den Dorfbewohnern von ihrer schaurigen Begegnung im Herrenhaus. Viele schüttelten den Kopf und meinten, es sei bloß ihre lebhafte Fantasie gewesen. Doch einige ältere Dorfbewohner murmelten, dass die Geister der Vergangenheit manchmal nicht bereit seien, in Frieden zu ruhen.
So blieb das Herrenhaus verlassen, und die Geschichten über die geisterhafte Begegnung verbreiteten sich im Dorf. Lucy aber schwor sich, nie wieder einen Fuß in dieses verfluchte Gemäuer zu setzen. Die Erinnerung an die einsame Gestalt und das traurige Klavierspiel würde sie für immer begleiten. So lautet eine Geistergeschichte, die in Sturmfels oder Stornfels über die alten Gemäuer der Burg Stornfels / Sturmfels auf dem Berg über dem gleichnamigen Dorf der späteren Stadt Nidda im Wetteraukreis in Hessen noch lange erzählt werden sollte. Man hat gemäß vielen Berichten in Nidda, dem Dorf Sturmfels und der Umgebung der Burg gesucht. Gefunden wurden Gräber und alte Gewölbe. Eine Person, die man für den Spuk verantwortlich machen könnte, die sucht man noch heute.