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Die Blutlinde von Burg Schaumburg

Einst, als die Menschen noch an Wunder, unsichtbare Helfer, Engel, Geister, Dämonen und gelegentlich auch an den Teufel glaubten, hatten auch kirchliche Mitarbeiter sowie solche, die sich dafür hielten, viel zu tun. Es galt sich gegen Männer und Frauen zu schützen, die man der Zauberei verdächtigte und anklagte. Auch ging man damals gegen Hebammen und Heilkundige vor, die viele Krankheiten mit Kräutern in den Griff bekamen. Ferner ging man dereist auch mit übler Nachrede gegen Vermögende vor.

Mal so als Beispiel: Der Volksglaube behauptet das Zahnschmerz von einem Zahnwurm verursacht wird. Stimmt, wenn man den Zahnwurm mit dem tatsächlich vorhandnen Nerv verwechselt. Die Hilfe einer Gewürznelke gegen Zahnschmerz in der Backentasche nahe des schmerzenden Zahnes hat auch heute noch so einiges für sich. Das wissen oft nur noch diejenigen, die sich mit Kräutern oder alternativer Heilkunde befassen. Die meisten unter den Jüngeren halten diese Wissenden mit ihren erfolgreichen Weisheiten heutzutage wieder für Stümpfer und sind nicht weit davon entfernt wieder an Teufel und Dämonen zu glauben, wenn der Tip mit der Nelke funktioniert und die chemische Keule hingegen einen Totalschaden, beziehungweise Fehlstart, hinlegt

So war es auch damals. Ein angesehener Bürger aus Rinteln war nach einem oppulenten Mahl an einem Fieber erkrankt. Da dieser Bürger mal was von einer Heilkundigen und angeblichen Hexe in Stadtnähe gehört hatte, ließ er sie zu sich bitten. Die Heilkundige konnte dem Erkrankten zunächst mit einem Kräutertrank helfen. Während der Kranke den bitteren und ungesüßten Kräutertee mit Todesverachtung schlürfte, machte die Heilerin dem Genesenden, zu seinem Lebenswandel, Vorwürfe. Allerdings kamen auch Hinweise zu Wiederholungen des Unwohlseins, das durch zuviel Nahrungsaufnahme und Fett verursacht wurde. Wie das damals so war und heute so ist. Man ist geheilt. Alles ist in Ordnung. Nichts zwickt mehr. Also ist man gesund und man kann wieder da weitermachen, wo man zuvor aufgehört hatte.

Der Bürger aus Rinteln eilte also zur nächsten Feier oder Völlerei und, wie gesagt, gab es einen ordentlichen Rückfall, der auch mit größerem Schmerz verbunden war. Heute wäre man mit „selbst Schuld” darüber hinweg gegangen. In jener Zeit wäre das zwar auch möglich gewesen, wenn man aber von der Kanzel aus mit Predigen gegen die Hexen, Dämonen und den Teufel aufgehetzt wird, kommt selbst der Intelligenteste auf dumme Gedanken. Der an den Folgen der Freßsucht leidende Rintelner Bürger begann dann auch allmählich zu glauben, das die Heilerin nicht nur Heilerin sondern auch Hexe und Teufelsdienerin war. Das musste selbstredend an die Kirche oder den zuständigen Vertreter gemeldet werden, damit sich das „Teufelsgesindel” nicht weiter ausbreiten konnte.

Da traf es sich gut, das wenig später die Hexenverfolgerei in Rinteln startete. Schnell wurden unbeliebte Männer und Frauen, Heiler und Heilerinnen, Dienstmägde, Hebammen oder auch einfach nur Wohlhabende als Teufelsdiener vor Gericht gestellt. Es dauerte in diesen Prozessen nicht lange bis erste Hexen verurteilt wurden. Leugnen half wenig, da damals Ideen genutzt wurden, die man heutzutage nur noch aus Büchern, wie dem Hexenhammer, kennt. Als Hexen oder Teufelsanhänger erkannte landeten rasch auf dem Richtblock oder durften schon auf Erden das Fegefeuer testen. So erging es auch der angeblichen Hexe, die dem „Fressack” aus Rinteln die heilerische Meinung gegeigt hatte. Da half es auch nichts, das sie einen Lindenreiser als Unschuldsbeweis pflanzte. Den Hexenrichtern war es gleich. Für sie galt: Wer als Teufelsdiener erkannt wird, der muss so oder so vor den himmlischen Richtstuhl. Ob es schnell, per Richtblock oder langsamer, per Brennen auf die Reise ins läuternde Fegefeuer ging, war einerlei und Ermessenssache. Die Heilerin aus dem Umfeld von Rinteln wurde auf den Scheiterhaufen geschickt und der von ihr gepflanzte Lindenreiser wuchs und gedieh um einiges schneller als es natürlich war. Heute ist es die Blutlinde und auf der Burg, beziehungsweise dem Schloß, Schaumburg zu Rinteln zu sehen.