Geschichten

Startseite Bauwerke Chroniken Geschichten Personen Sagen Städte Bücher ARCHIV

Die Blutsteine - Teil 1

Vor langer, langer, sehr Zeit, als Kontakte zu höheren Wesen noch ein Leichtes waren, gab es auch auf Erden Personen und Wesen, die mehr konnten als nur dumm schwätzen. Zu dieser Zeit lebte auch unser Wissender. Nennen wir ihn der Einfachheit halber und in verständlicher Umgangssprache: Enrico. Enrico war von seinen nicht gerade vermögenden Eltern zu einem befreundeten Weisen in die Lehre gegeben worden. Er sollte sich hier seinen Lebensunterhalt erarbeiten und, wenn möglich, lernen, was so an Grundsätzlichem zum Leben notwendig war. Enrico hörte sich bei seinem Lehrherren an, was er hier tun sollte. Da er nicht gerade auf den Kopf gefallen war, verstand er schnell bei wem er gelandet war und um was es ging. So hörte er bei seiner Arbeit im Haus den Worten seines Lehrers aufmerksam zu.

Im Laufe der Zeit wuchs nicht nur sein Können als Haushaltshilfe, sondern auch sein Wissen in anderen Bereichen. Sein Arbeitgeber erkannte nach und nach was er an Enrico hatte und beschloß ihn alles zu lehren, was er selbst wusste und weitergeben konnte. Nach einigen Jahren, die Enrico mit Arbeit im Haus und zusammen mit seinem Lehrherrn damit verbrachte zu lernen und forschen waren beide mit ihren Fähigkeiten beinahe gleichwertig. Zusammen führten sie nun Experimente aus und entwickelten auch eigene und neue Testreihen. Das sorgte dafür, das sich Enricos Wissen herum sprach.

Sein Lehrer bekam das Angebot von einem mächtigen Meister. An einem Abend traf man sich und setzte sich zusammen um zu beratschlagen wie es mit Enrico weitergehen sollte. So einfach ablehnen ging aber nicht, da der Meister in der Gesellschaftshierarchie weit über Enricos Lehrer und noch weiter oben über Enrico stand. Am Ende der Beratung entschied sich Enrico dann dafür, das es besser sei, den Lehrherrn zu wechseln. Wohl war es ihm zwar nicht dabei, aber der Weg zu mehr Wissen wollte von ihm doch beschritten werden.

Enrico und sein neuer Meister machten sich im Morgengrauen, nach einem reichhaltigen Frühstück, auf die Reise zum neuen Ort des Lernens. Es wurde eine längere und nicht gerade bequeme Reise. Da Enrico sich mehr auf den Weg konzentrierte, mußte er auf das Ziel aufmerksam gemacht werden. Er hielt inne um seine neue Wohnstätte genauer zu betrachten. Zu Beginn sah Enrico nicht viel. Als sich seine Augen aber auf das Ziel einstellen konnten, sah er mehr und mehr. Immer neue Einzelheiten kamen zum Vorschein und Enrico fragte sich ob das nun an seinen Augen lag oder daran, das irgendwer so eine Art Unsichtbarkeitszauber über die Burg gelegt hatte.

Enrico wurde etwas unwirsch darauf hingewiesen, das man noch eine gehörige Wegstrecke auf eigenen Füßen zurück zu legen hatte. Er ging los. Bei jedem Schritt zeigten sich neue Details und vergrößerte sich sein Staunen. Gegen Mittag erreichten Meister und Enrico endlich das Ziel. Enrico wußte gar nicht was er als Erstes in Augenschein nehmen sollte. Sein neuer Lehrherr teilte ihm aber mit, das es zunächst an die Tafel gehen würde. Immerhin sei, was auch immer heute noch folgen sollte, mit leeren Magen zu keinem brauchbaren Ende zu bringen. Gesagt, getan.

Enrico ging an der Seite des Meisters, aber etwas hinter ihm, in die Halle. Rasch wurde den Eintretenden Platz gemacht und eine Schale mit heißer Suppe gereicht. Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, gab es für sie frisches, noch warmes, Brot. Sie ließen es sich schmecken und erkannten dabei, das sie doch hungriger waren als es vorher noch den Anschein gehaht hatte. Enrico wischte etwas später gesättigt mit dem letzten Stück Brot seine Schüssel aus, dann schob er sie von sich und lehnte seinen etwas schmerzenden Rücken zurück. Sein neuer Meister gönnte ihm eine kurz Pause. Dann bat er den Gesättigten ihm zu folgen. Gemeinsam begaben sie sich Meister und Schüler in die Bibliothek. Hier, so erfuhr Enrico, würde er sich zunächst überwiegend aufhalten. Es galt für ihn sich mit dem Wissen in den Büchern vertraut zu machen. Ab und an sollte es aber auch praktisches Lernen geben. Enrico schluckte beim Anblick der Menge an Büchern und Folianten. Dabei fragte er sich wie und ob er je alles in seinen Kopf bekommen sollte. Doch für heute war, so sein Meister, Ruhepause angesagt. Das mit der Wissensvermehrung würde schon noch Arbeit genug werden.

Enrico wurde unsanft aus dem Schlaf geholt. Verschlafen blickte er sich in seinem neuen Zimmer um, sah aber nichts. Er mühte sich aus dem Bett und wandte sich den Fenster zu. Mit etwas Mühe zog er die Vorhänge auf. Außer einem schönen Sonnenaufgang ließ sich auch hier nicht erblicken, was ihn da so ungehörig aus den Träumen geholt hatte. Enrico erledigte die Morgentoilette und kleidete sich an. Danach verließ er sein Zimmer und begab sich in den Gesindebereich. Hier bat er um ein kleines Morgenmahl, das er auch erhielt. Dann ging es in die Bücherei zum Lernen.

Enrico öffnete die Tür zum Büchersaal und betrat die Räumlichkeit. Die Tür schloß sich hinter ihm fast automatisch, so gut waren die Scharniere geölt. Zögerlich machte er sich auf den Weg entlang der Bücherreihen und fragte sich erneut wie er das Alles lernen konnte. Auch versuchte er zu ergründen wer das alles zu Papier gebracht haben mochte und wieviel Zeit dieser oder diese Wissenssammler damit verbracht haben mochten. Eine Weile später erreichte Enrico dann wieder den Ort, an dem er den Saal der Bücher betreten hatte. Hier atmete er einige Male tief durch und legte dabei für sich fest, wie er das Lernen beginnen wollte. Immerhin war es eigentlich egal, da er die Aufgabe hatte ALLE Bücher zu lesen. So griff Enrico sich den ersten Folianten aus der unteren Reihe. Er war schließlich genau so gut wie das letzte Buch aus der obersten Reihe. Irgendwo mußte er ja beginnen.

Mit dem Folianten bewaffnet ging Enrico zum Lesepult, rückte sich alles zurecht und begann mit seiner Arbeit. Darüber bekam er kaum mit das er immer schneller las und auch das auf den Seiten niedergeschriebene Wissen in sich aufnahm. Als ihn sein Meister anstupste, zuckte der Lesende erschrocken zusammen und sah verwirrt hoch. Enrico sah in ein lächelndes Gesicht. Wenig später zeigte Enricos Lehrherr auf die Bücher und Folianten die sein Schüler schon gelesen hatte. Enrico schluckte. Damit hatte er nun doch nicht gerechnet.

Der Meister bat Enrico ihm in die Halle zufolgen. Hier stärkten sie sich und Enrico durfte über seine Fortschritte im Lernen berichten. Es erstaunte selbst den Meister wie weit er mit der Wissensvermehrung gekommen war. So ging es einige Wochen in denen Enricos Wissen, im Vergleich zu vorher, beinahe unermeßlich war. Sein Meister erklärte ihm nach dem letzten Buch das Gegenteil. So sollte Enrico nun zwar viel Wissen in sich aufgenommen haben, aber es wäre nur ein kleiner Teil dessen, was es noch zu wissen gab.

Enricos Meister bat ihn nach dem Abendessen über einen Angestellten zu sich in einen abgelegenen Teil der Burg. Hier war Enrico bis jetzt noch nicht gewesen und es erstaunte ihn, das die Burg doch so weitläufig war. Der Angestellte schob den Staunenden in den Raum, schloß die Tür und eilte von dannen. Immerhin war es den Dienern des Meisters in diesem Bereich nicht geheuer. Als Gläubige an Geister und Dämonen sahen sie ohnehin zu dem Burgherren nicht zu lange gegenüberstehen zu müssen.

Enrico erfuhr in diesem Saal wie es um ihn und seinem Meister stand. Er hörte das er nun die Grundlage in sich hatte. Wenn es in der Hierarchie keine Widersprüche gab, dann hätte Enrico das Zeug um zu einem Meister, wenn nicht sogar zu einem Hochmeister oder noch Höherem aufzusteigen. Wenn er es wünschte, dann würde ihm ab nun alle Hilfe gegeben werden, derer er bedurfe. Enrico nickte, dann bat er sich Zeit zum Nachdenken aus. Es gab ja nicht jeden Tag für jemaden in seiner Stellung solche Nachrichten. Vor allem konnte er sich nicht so recht vorstellen was es mit den Begriffen Hochmeister oder noch Höherem auf sich hatte. Gut, in den Büchern hatte er diese Begriffe gefunden und wußte was sich dahinter verbarg. Dieses Wissen zu haben war aber das Eine. Ein Hochmeister oder noch Höheres zu sein, das ist jedoch schon eine ganz, ganz andere Schuhgröße.

Enrico gönnte sich einige Tage in denen er sich mit den Angestellten und Mägden seines Lehrherren vergnügte. Dann war es aber soweit, das er sich der Aufgabe stellen mußte. Ob er wollte oder nicht. Er wählte den schweren Weg und beschloß nicht nur zu ergründen was es mit den ungewöhnlichen Begriffen oder Personen auf sich hatte, sondern auch, wenn es ihm möglich und erlaubt war, selbst zu einem Mitglied dieser Kreise zu werden.

Sein Lehrherr und hoher Meister nahm die frohe Kunde lächelnd auf. Er hatte ja schon damit gerechnet. Also erklärte er Enrico wie es nun für ihn weiter ging. Gemeinsam wolle man zunächst andere Wissende aufsuchen und dort das Wissen und Können vergrößern.

Ein Angestellter holte Enrico am kommenden Morgen aus dem Bett und geleitete ihn nach der Morgentoilette zum Burgherren in die Halle. Gemeinsam stärkten sie sich. Mit vollen Bäuchen ging es dann los. Sie verließen die Burg und bestiegen eine bereitstehende Kutsche. Darin begaben sich Enrico und sein Begleiter, der hohe Meister, zum nächsten und höheren in der Hierarchie, um zu lernen. Wie zuvor nahm der neue Meister wahr das Enrico das Wissen quasi in Rekordzeit in sich aufsog und auch sein Können in magischen Dingen nahm von Tag zu Tag zu. So ging es noch eine ganze Weile in seiner Ausbildungszeit weiter. Am Ende, als Enricos Hirn vorerst passte, stand er kurz vor dem Werden zum Dämon. Er konnte an diesem Punkt perfekt seine Fähigkeiten nutzen und brauchte kaum noch Hilfe um Dinge zu tun, die fast an Wunder heran kamen. Enrico hatte jetzt die Wahl. Er konnte sich ab nun zur Ruhe setzen oder sich an die Erforschung von Dingen begeben, die dem Anschein nach und vorläufig in die Welt der Mythen und Legenden gehörten. Enrico wählte, wie eigentlich schon immer, den Weg des Schweren. Er stellte mit seinen Fähigkeiten eine Liste von Dingen zusammen, die noch auf Entdeckung warteten. Ohne Eile las er die Übersicht. Dann hatte er sich entschieden. Er wollte in Erfahrung bringen was es mit den Blutsteinen auf sich hatte.

Etwas von den Dingen, die nun auf Enrico warteten, kann, wer mag, in der Geschichte „Blutsteine Teil 2” lesen.